Aus dem CAMPUS in den Windschatten der Bundesliga

Noch steht Leon Ciudad Benitez ein bisschen im Windschatten der beiden Weltklasse-Kreisläufer Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler. Aber der 19-Jährige, der gerade seinen ersten Profivertrag beim deutschen Rekordmeister THW Kiel unterzeichnete, ist so etwas wie ein Titelhamster. „So werde ich in der Mannschaft genannt“, lacht der gebürtige Lübecker. Im vergangenen Dezember gehörte er mit zur Mannschaft, die den vierten Champions-League-Titel für die Zebras gewann. Anschließend folgte im Sommer die deutsche Meisterschaft, dann der EM-Titel mit der U19 des Deutschen Handball Bundes und schließlich durfte er in dieser Spielzeit bereits den Super Cup nach dem Erfolg über Lemgo in den Händen halten. „Das war alles mega, kaum zu glauben“, schmunzelt Ciudad Benitez. Die Story liest sich wie aus einem Märchenbuch.
Mit dem Handball hat er als Sieben- oder Achtjähriger beim TSV Eintracht Groß Grönau angefangen. Während andere Mitstreiter im Team immer die Tore von den Außenpositionen oder aus dem Rückraum werfen wollten, war für Ciudad Benitez klar: „Ich werfe meine Tore als Kreisläufer.“ Entdeckt wurde das Talent später von THW-Nachwuchskoordinator Klaus-Dieter Petersen. „Anfangs war ,Pitti‘ so etwas wie mein Personal-Coach“, lacht Leon Ciudad Benitez. Nach seinem Wechsel zum THW pendelte er die ersten zweieinhalb Jahre zwischen Kiel und dem Wohnort Groß Sarau. „Inzwischen wohne ich auf dem Campus im THW-Nachwuchsleistungszentrum in Altenholz.“
Der vergangene Sommer war sportlich richtig heiß. Erst hatte der 1,96 m große und 99 kg schwere Mann mit den Profis die Saisonvorbereitung aufgenommen, dann rief plötzlich U19-Bundestrainer Martin Heuberger an. Der Auftrag: Sachen packen und sofort nach Kroatien fliegen. Dort lief die Europameisterschaft für den DHB-Nachwuchs. Nach dem Ausfall von Abwehrspezialist Fynn Nicolaus (TVB Stuttgart), der nach seiner Schulterluxation aus der Partie gegen Norwegen abreisen musste, war sein Können ab der Hauptrunde im Team gefragt. Und im Endspiel setzte Ciudad Benitez in seinem inzwischen elften Länderspiel mit dem Treffer zum 34:20 gegen Kroatien den Schlusspunkt der Begegnung und hatte Gold gewonnen. „Die EM war richtig cool“, meinte er bescheiden. „Bisher hatte ich ja meistens nur gegen deutsche Handballer gespielt.“
Aber der Erfolg von gestern zählt in der schnelllebigen Welt nur bedingt. Ciudad Benitez musste sich anschließend im täglichen Training mit den Kieler Profis beweisen und freut sich, dass ihm Pekeler und Wiencek so viele Tipps geben. „Das hilft mir alles, aber ich kann mir von jedem etwas abschauen, ob nun ,Peke‘ oder ‚Bam-Bam‘ (Wiencek, d. Red) oder Sander Sagosen.“ Und dann ist das noch das Trainerteam mit Filip Jicha und Christian Sprenger, das ihre langjährige Erfahrung an den „Auszubildenden“ weiter gibt. Die meiste Zeit nimmt Ciudad Benitez er jedoch noch Anschauungsunterricht von der Bank aus. In der rauen Bundesligasee und auf internationalen Gewässern darf er sich nur selten freischwimmen. Alle Hemmungen kann er nur beim Kooperationspartner TSV Altenholz ablegen, für den er ein Zweitspielrecht besitzt. Doch in der 3. Liga der Männer und in der Bundesliga werden gleiche Situationen nicht gleich geahndet. „Eigentlich bin ich kein Rüpel“, sagt er zu den ersten beiden Spielen, die für ihn jeweils mit der Roten Karte vorzeitig endeten. Aktuell dreht sich für Leon Ciudad Benitez alles um Handball. In fünf bis zehn Jahren möchte er ein gestandener Bundesligaspieler sein, der reichlich Spielanteile bekommt. Nur, wenn er sich mit einem oder zwei Kumpels trifft, nutzt er gern die Zeit, um bei einem schönen Essen abzuschalten. (JL)