Die Gehörlosen-Nationalmannschaft durfte drei Tage Profi-Luft schnuppern
Eine tolle Geste vom THW Kiel. An einem trainingsfreien Wochenende öffnete der Rekordmeister den Campus und gab einer Gruppe von Handicap-Handballern einen Einblick in das Nachwuchsleistungszentrum. Die Gehörlosen-Nationalmannschaft, die aus dem gesamten Bundesgebiet anreiste, durfte drei Tage Profi-Luft schnuppern, wurde im Hotel Athletik untergebracht. Die Spieler, die zwar schwer hören, machten dafür große Augen. Sie liefen an den Wänden vorbei, an denen der THW seine geheimen Schlüssel zum Erfolg aufgehängt hat. „Einfach geil“, schwärmte Zimpelmann, seit 2018 Bundestrainer. Sonst hat der 47-Jährige sein Team oft in Haßloch, zwischen Mannheim und Ludwigshafen, zusammen: „Eine normale Sporthalle, aber so etwas wie hier hatten wir noch nie.“ Sogar die Wäsche wurde ihnen gewaschen.
Die Ohren seiner Spieler müssen eine mittelgradige Schwerhörigkeit aufweisen. Erst ab einer Lautstärke von 55 Dezibel darf etwas zu hören sein. In der Wunderino-Arena erreichen die Fans bei ihren Anfeuerungen sogar über 100 Dezibel. Wie spielt es sich, wenn man nur wenig bis gar nicht hören kann? Wo es doch so wichtig ist, Spielzüge „anzusagen“. Bei den Kieler Profis heben Domagoj Duvnjak oder Miha Zarabec im mittleren Rückraum den Arm und die Mitspieler wissen im Lärm der Arena, welche Auslösehandlung anzuwenden ist.
Zurufen geht bei den Gehörlosen-Sportlern nicht. Anders als im Trainingsbetrieb dürfen die Spieler Hörhilfen nicht benutzen. Zimpelmann setzt auf Mimik und Gestik. Viele Dinge werden inzwischen aufgeschrieben oder dank der Sprachaufzeichnungs-App über das Handy in Schrift konvertiert. Zimpelmann baut für die Kommunikation auf das Mundbild plus den Ton. Der B-Lizenzinhaber hebt den Daumen, wenn er zufrieden war, tippt an beide Seiten der Stirn, wenn die Spieler nachdenken sollten.


Im Lehrgang ließ der ehrenamtliche Bundestrainer das Spiel in die Tiefe mit einer angetäuschten Kreuzbewegung und Doppelpässen – genannt Give and Go – trainieren. Wenn die Spieler zu langsam liefen, mangelhafte Pässe spielten, unterbrach Zimpelmann den Übungsfluss. „Ich brauche jetzt zehn Tore“, motivierte Zimpelmann. Die Spieler fragten nach der Anzahl der Versuche. „Am besten aus zehn“ antwortete er grinsend. Gezählt wurden offiziell nicht. „Das muss noch besser werden“, weiß Joshua Hild von der DJK Rimpar Wölfe II. Videoanalyst Jonas Suchalla hielt alles per Video fest und sendet den Spielern im Anschluss des Lehrgangs entsprechende Ausschnitte.
Im Mai 2022 finden in Brasilien die Deaflympics – ein alle vier Jahre durchgeführter Wettbewerb im Gehörlosensport – statt. „Ich habe Blut geleckt. Hoffentlich bekomme ich das dienstlich geregelt“, sagt Jörg Tomaschewski, Justizvollzugsbeamter in Neumünster und ehemaliger Oberligaspieler der SG Wift. Das Ziel am Zuckerhut ist kein Urlaub an der Copacabana. Am liebsten soll eine Medaille am Hals hängen. „Aber Kroatien und Russland, das sind alles Maschinen. Gegen die können wir nur im System bestehen“, sagt Zimpelmann. Nicht nur deshalb ist im Januar der nächste Lehrgang terminiert. Andere Sorgen hat derweil Sportdirektor ist Stefan Lamertz. „Es gibt zu wenig Vereine, die Handball als Gehörlosensport anbieten.“ Er versucht, für die Sportler Felder der Aufmerksamkeit zu schaffen.